Andere sitzen in Bibliotheken, um ihre Abschlussarbeiten fertigzustellen und ich darf hier auf Pellworm draußen an der wohl frischesten Luft arbeiten. Einen schöneren Ort hätte ich mir für die Forschung zu meiner Masterarbeit und die Arbeit für den Gemeinschaftlichen Wiesenvogelschutz nicht vorstellen können.
Ich heiße Christine Hempel und ich studiere Lehramt mit den Fächern Biologie und Religion an der Universität Hamburg. Aufgewachsen bin ich in Risum-Lindholm. Daher fühle ich mich Nordfriesland sehr verbunden. Vielleicht haben mich die einen oder anderen schon auf dem Fahrrad mit etlichen Stäben und Fähnchen über die Insel fahren oder am Straßenrand mit dem Fernglas stehen sehen. In diesen Momenten bin ich auf der Suche nach Nestern von Wiesenvögeln. Vergleicht man den Wiesenvogelbestand von Pellworm mit dem des Festlands, zeigt sich, dass sich Austernfischer, Kiebitz, Uferschnepfe und Rotschenkel auf dieser Insel noch einigermaßen wohlfühlen. Dennoch sind die Bestände in den letzten Jahren stark zurückgegangen. Dies liegt vor allem an dem Verlust ökologisch diverser Landschaft und dem damit einhergehenden Rückgang geeigneter Habitate für die Brut und Aufzucht der Küken. Hinzu kommen die Auswirkungen von Prädatoren. Vor allem die Wanderratte stellt durch ihre rasche Vermehrung ein Problem für Pellworm und seine Wiesenvögel dar. Bereits im vergangenen Jahr wurden Forschungen zu der Prädation von Uferschnepfen mit dem Fokus der Wanderratte auf Pellworm gemacht. Um noch genauere Aussagen zur Auswirkung der Prädationen tätigen zu können, werde ich in diesem Jahr die Nester der Kiebitze betrachten und ebenfalls auf Rattenprädationen untersuchen. Meine Arbeit wird dabei von Dr. Veit Hennig (Universität Hamburg) betreut, welcher mir stets mit Rat und Tat zur Seite steht. In den vergangenen acht Wochen habe ich schließlich Kiebitznester gesucht und diese in Absprache mit dem jeweiligen Landwirt mit Nestkameras ausgestattet. Die Kameras machen bei jeder Bewegung, die vor der Kamera stattfindet, Fotos. So kann ich am Ende der Brut sehen, was bei den Nestern während der Brutzeit passiert ist und meine Ergebnisse mit denen des letzten Jahres vergleichen sowie Rückschlüsse auf den Bruterfolg von Kiebitzen ziehen.
Neben der Forschung für meine Masterarbeit bin ich in diesem Jahr für den Gemeinschaftlichen Wiesenvogelschutz tätig, welcher vom Michael-Otto-Institut im NABU betreut wird. Brütet ein Wiesenvogel auf einer Grünlandfläche, nehme ich Kontakt zu den Landwirt*innen auf, um sie darüber zu informieren. Gemeinsam wird besprochen, welche Bewirtschaftung dort stattfinden soll und welche Maßnahmen zum Schutz der Wiesenvögel schließlich getroffen werden. Wenn die Bewirtschaftung an die Brutzeit der zu schützenden Arten angepasst wird, gibt es dafür eine Entschädigung. Silke Backsen, welche viele Jahre für den Gemeinschaftlichen Wiesenvogelschutz zuständig war und immer noch ist, gab mir eine erste Einführung in das Programm und zeigte mir die wichtigsten Flächen. So konnte ich schließlich damit starten, die ersten Landwirt*innen zu kontaktierten. Das Prinzip des Gemeinschaftlichen Wiesenvogelschutzes musste ich dabei den wenigsten erklären, da dieses Programm schon seit einigen Jahren auf Pellworm besteht. Ich hingegen hatte Fragen. Ortsbezogene Fragen oder Fragen zu bestimmten Abläufen in der Bewirtschaftung. Diese wurden mir meist geduldig beantwortet. Die am häufigsten gestellte Frage war und ist immer noch: „Wem gehört denn diese Fläche?“. Durch die Hilfe von Silke und die gute Vernetzung der Landwirt*innen gelange ich jedoch meistens schnell zu der richtigen Person. Doch nicht nur hier bin ich für jede Hilfe dankbar. Fast täglich bekomme ich Nachrichten darüber, dass Nester gefunden wurden. Einige Male wurde mir ebenfalls geholfen, diese zu markieren, da dies zu zweit deutlich leichter ist. Diese Hilfe nehme ich dankend an, da Pellworm mehr und größere Flächen besitzt, als ich erwartet hatte. Immer alle Flächen im Überblick zu haben, ist daher sehr schwierig. Vor allem vom Trecker aus können Nester sehr gut lokalisiert werden, da die Vögel länger auf dem Nest sitzen bleiben.
Deshalb durfte ich schon einige Touren mitfahren, um Nester zu markieren. Neben dem Nesterfinden gab es dabei natürlich immer einen guten Schnack und kurze „Inselfahrten“ zu den jeweiligen Flächen, die mir den Überblick über Pellworm erleichterten. Inzwischen kenne ich mich schon ganz gut auf der Insel aus und ich freue mich, immer mehr bekannte Gesichter auf meinem „Arbeitsweg“ grüßen zu können. Insgesamt bin ich sehr froh über die Hilfe und die Zusammenarbeit mit den Landwirt*innen zum Schutz der Wiesenvögel. Auch wenn schon einige Teil des Programms sind, hoffe ich, dass noch mehr Menschen erreicht werden und die Entschädigungszahlung nicht die einzige Motivation ist, den Erhalt der Wiesenvögel auf Pellworm zu fördern. Die Mithilfe der Landwirt*innen und auch anderer Personen, die sich dem Wiesenvogelschutz verbunden fühlen, ist besonders wichtig.
Jede Person, die etwas zum Erhalt der Wiesenvögel beiträgt, ist ein Gewinn – jedes Nest und jeder Vogel, der geschützt wird, ist ein Erfolg.