Hellmut Bahnsen wurde am 12.10.1941 auf Pellworm geboren. Er besuchte die Schule am Schütting. Leider hatte er in dieser schwierigen Nachkriegszeit nicht die Chancen, soviel zu lernen, wie es seinem Wissensdurst gerecht gewesen wäre. Viel Wissen aus Geschichte und Heimatkunde eignete er sich im Laufe seines Lebens selbst aus Büchern an.
Aufgewachsen auf der Insel gehörte das Wattenmeer schon in seiner Kindheit zu seinen bevorzugten Aufenthaltsorten, ob mit dem selbst gebauten Floß rausfahren, Fische und Krabben fangen oder Strandgut sammeln. Mit 15 Jahren fing Hellmut 1957 auf dem Fischkutter Pell 3 „Helene“ von Wilhelm Balzukat an. Zwei Jahre später fuhr er dann auf dem Fischkutter „Süderau“ von Hermann Petersen mit. 1963 machte er in Büsum die Kapitänsprüfung. Später folgten weitere Anstellungen auf verschiedenen Schiffen, bis er 1970 in den Küstenschutz wechselte, wo er bis 1998 tätig gewesen ist.
1980 war die Sammlung so weit angewachsen, dass Hellmut seine Sommerlaube als Ausstellungsraum für seine Sammlung umbaute, dem Museum „Kulturfunde aus dem Wattenmeer“, heute als „Rungholt-Museum“ auf der Insel und weit darüber hinaus bekannt. Hier konnte er seine Fundstücke nicht nur geordnet unterbringen, sondern auch interessierten Besuchern präsentieren. Über jedes seiner Fundstücke, wie den Töpfen, Schüsseln, Krügen, Ofenkacheln, Knochen, Glasfunden, Steinen und weiteren teils skurrilen Funden, konnte Hellmut eine Geschichte erzählen. Auf diese Weise wurde die versunkene Landschaft um Pellworm wieder lebendig.
Aber nicht nur in seinem Museum konnte Hellmut erzählen, eindrucksvoll waren auch seine geführten Wattwanderungen. 30 Jahre lang führte er Gäste durch das Watt nach Hallig Hooge, 25 Jahre nach Süderoog und bis vor wenigen Jahren zu den Kulturspuren nach Buphever und zu den Überresten des Norder-Nie-Kooges. Besonders beliebt war auch sein Krabbenfischen mit „de Puk“ im Watt vor dem Leuchtturm, welches er in der Saison regemäßig veranstaltete (DePe 6/2015).
Unter den unzähligen Fundstücken, die Hellmut im Laufe seiner Sammeltätigkeit bergen konnte, befinden sich auch einige herausragende und wissenschaftlich bedeutende Funde. Ein solcher Fund gelang 2006 im Watt vor der Tammwarft. Hier stieß Helmut auf Keramik, die in die ersten Jahrhunderte nach Christus datiert werden kann. Somit sind diese Funde zeitlich in die späte römische Kaiser- bzw. Völkerwanderungszeit einzuordnen. Diese Funde veranlassten den Archäologen Dr. Hans-Joachim Kühn zu dem Ausspruch, dass jetzt eigentlich die Geschichte der südlichen nordfriesischen Uthlande neu geschrieben werden müsste (DePe 11/2006). Denn die bis dahin ältesten bekannten Siedlungsreste aus der Umgebung stammten von Pellworm und Hooge und datierten in das 8. und 9. Jh. n. Chr. Eine Besiedlung schon in früheren Zeiten war bis zu Hellmuts Entdeckung für unwahrscheinlich gehalten worden.
Doch nur zwei Jahre später gelang es Hellmut, noch deutlich ältere Funde im Pellwormer Watt aufzuspüren. Nördlich der Insel fand er mehrere Artefakte aus Feuerstein, darunter ein sorgfältig gearbeiteter Fischschwanzdolch. Die Funde lassen sich um 1500-1700 v. Chr. datieren und fallen somit in die Zeit des Überganges von der Jungsteinzeit zur Bronzezeit. Auch wenn diese Funde keinen Beweis für eine Siedlungstätigkeit darstellen, geben sie einen Hinweis darauf, dass das Marschengebiet zu jener Zeit zumindest zeitweise begangen worden sein könnte.
Hellmut konnte nicht nur zu jedem seiner Fundstücke eine Geschichte erzählen, sondern kannte auch zahlreiche Sagen, Geschichten und Erzählungen, die sich um das Pellwormer Wattenmeer ranken. Einen Teil seines Fachwissens um Funde und Fundstellen hat Hellmut auch aufgeschrieben und in Buchform publiziert. 2005 veröffentlichten Rita und Hellmut Bahnsen ihr erstes Buch mit dem passenden Titel „Spurensuche im Wattenmeer“. 2015 folgte dann die Neuauflage unter dem Titel „Geheimnisvolles Wattenmeer“. Später kamen noch Veröffentlichungen über Ofenkacheln und niederländische Teller hinzu.
Gelegentlich haderte Hellmut mit Ämtern, der Politik und vermeintlich fehlender Anerkennung, wovon er sich trotzdem nicht abhalten ließ seinen Weg zu gehen. Bei so viel Engagement für die Heimat- und Regionalgeschichte blieben dann auch die Ehrungen für ihn nicht aus. Im August 2013 bekam er zusammen mit Dr. Hans Joachim Kühn das „Siegel von Rungholt“ verliehen. Diese Ehrung wird von der Nordstrander Rungholt-Gesellschaft einmal im Jahr an Menschen oder Institutionen vergeben, die sich für die Erforschung oder Erhaltung der Kulturspuren von Rungholt oder der Uthlande allgemein verdient gemacht haben. Damit soll der Erhalt bedeutender Kulturgüter in Nordfriesland gefördert werden. 2014 folgte dann die Verleihung der Ehrennadel des Kreisverbandes des Nordfriesischen Vereins. Höhepunkt war die Verleihung der Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland am 31.10.2016 durch die Ministerin Anke Spoorendonk, die diese Auszeichnung stellvertretend für den Bundespräsidenten Joachim Gauck überreichte.
Dr. Hans Joachim Kühn, ehemals Archäologischer Westküstendezernent beim Archäologischen Landesamt Schleswig-Holstein, mit dem Hellmut jahrelang erfolgreich zusammenarbeitete, fasste Hellmuts Wirken für die archäologische Forschung 2015 wie folgt zusammen: „Von allen Hallig-Leuten und Insulanern, die der archäologischen Wattenforschung zugearbeitet haben, hat er den größten Beitrag geliefert und sogar den Anstoß dafür gegeben, dass Lehrmeinungen geändert werden mussten – letzteres kann so mancher Wissenschaftler nicht einmal von sich behaupten“ (DePe 2/2015).
Einen Rückblick auf sein Lebenswerk gab es im Juli 2021 bei einem Fest rund um das Rungholt-Museum aus Anlass „50 Jahre Spurensuche im Wattenmeer“. Dabei wurde auch deutlich, wie dankbar Hellmut seiner Frau Rita sein kann, die ihn all die Jahre bei Wattwanderungen und im Museum unterstützt hat. Leider musste Hellmut die Wattwanderungen vor einigen Jahren aus gesundheitlichen Gründen aufgeben, aber die Führungen in seinem Museum für interessierte Gäste haben ihm bis zuletzt einen Sinn im Leben gegeben.
Zu Hellmuts großer Freude hat sich seine Tochter Petra mit Familie 2021 entschlossen nach Pellworm und in ihr Elternhaus zurückzukehren. So konnten sie noch eine schöne Zeit miteinander verbringen.
Ich habe Hellmut Bahnsen 2012 im Alter von 12 Jahren kennengelernt. Ich bin ihm dankbar, dass er sein unendliches Wissen, seine Geschichten, seine Kenntnisse über das Watt rund um Pellworm und seine zahlreichen Unterlagen und Bücher mit mir geteilt hat. Heute studiere ich Ur- und Frühgeschichte im Master und konnte für meine Arbeiten immer wieder auf Fundstücke aus dem Museum und Hellmuts Wissensschatz zugreifen. Ich habe viel von ihm gelernt.
Peter Herschlein