Bewahren durch Veränderung

Seit mehr als hundert Jahren steht das Backsteineckgebäude mit dem Restaurant Nordseeblick am Hafen auf Pellworm. Als einziges Haus an der gesamten Nordseeküste steht das markante Gebäude (vom alten Dampferschuppen einmal abgesehen) außendeichs. Das ursprüngliche Reetdachhaus, in dem Martin Eduard Blohm und seine Ehefrau ihre Gaststätte seit der Mitte des 19. Jahrhunderts betrieben, wurde nach einem Brand durch ein großes Backsteingebäude ersetzt. Blohms Gasthof oder später als Hotel „Zur Börse“ prägt es unverändert das Hafenbild. Dörte Koch bewirtete dort zuletzt Ihre Gäste von 1994 an bis zum Verkauf. Gemeinsam erwarben Andreas Ruth und Isabel Sommer das Gebäude mit dem Ziel, es zum einen grundlegend in Stand zu setzen und gleichzeitig zusätzlich zur Gaststätte insgesamt 14 Ferienwohnungen in dem Gebäude zu errichten.

Schon ein normaler Bauantrag stellt Bauherr*innen vor gewaltige Anforderungen, ein großes Gebäude im Außenbereich, dazu noch außendeichs und in Deichnähe bringt noch ganz andere Probleme mit sich. So musste ein B-Plan geändert werden, in zahlreichen Gesprächen mit dem für die Deiche zuständigen LKN und weiteren Behörden waren zahlreiche Auflagen und Bedingungen zu erfüllen. Manch einer wird sich noch an Sturmfluten erinnern, bei denen das Wasser bis zu den Fensterbänken am Nordseeblick nagte und unvergessen bleibt sicherlich eine Ärztetagung Anfang der 80er Jahre, als bei plötzlich hohen Wasserständen die Teilnehmer per Seenotkreuzer „abgeborgen“ werden mussten. Zu der Zeit sprach und achtete noch kaum jemand an Klimawandel und steigende Meeresspiegel, heute stellt das LKN besondere Anforderungen. Es wird ein sog. „Bemessungsereignis zugrunde gelegt, mit welchen höchsten Wasserständen man in einem Zeitraum von 200 Jahren rechnen müsste. So muss das Nordseeblick heute einem Wasserstand trotzen können, der gut 2,5 m über der Fußbodenhöhe der gegenwärtigen Gaststätte liegt. Angesichts der geplanten Aufstockung des Gebäudes, um die geplanten Ferienwohnungen dort unterzubringen, war es erforderlich, die Stabilität des Gebäudes deutlich zu erhöhen. War zunächst eine Tiefengründung mit bis zu 22 m langen Stahlbetonpfählen geplant, entschloss man sich letztlich, das gesamte Gebäude mit einer neuen 30 cm starken Betonsohle auszustatten. Teile des Betonboden ragen dabei „fingerförmig“ bis zu 50 cm unter die Außenmauern, um auch hier für mehr Stabilität zu sorgen. Im Inneren wurden alte Zwischenwände durch Stahlbetonwände ersetzt. Die Lage außerhalb des Deichs hat ebenfalls zur Folge, dass seitens des LKN eine intensive Bautätigkeit nur im Zeitraum vom 15.4. bis 30.9 gestattet ist. Außerhalb dieser Zeit müssen alle Arbeiten so geplant werden, dass die Baustelle innerhalb von 24 Stunden in einen sturmflutsicheren Zustand gebracht werden kann, um die Wehrhaftigkeit der Deichanlage nicht zu gefährden. Derzeit ist an einem Fenster eine Markierung angebracht, die angibt, bei welchem Wasserstand das Gebäude zu fluten ist. Ob man sich für den späteren Betrieb allerdings im Falle einer bedrohlichen Sturmflut für eine Flutung des Gebäudes oder eine Sicherung wie bisher durch von außen angebrachten Hochwasserschutz entscheidet, ist noch unklar.

Klar ist allerdings, dass zum einen die Gaststätte mit dem großen, auch von Vereinen und für gesellige Veranstaltungen genutzten Raum erhalten bleibt. Die großen alten Rundbogenfenster sollen alle in ursprünglicher Form wiederhergestellt werden. Das Gebäude wird insgesamt um ein Stockwerk erhöht, d.h. das bestehende Dach wird abgebaut und durch ein vollwertiges Stockwerk ersetzt, auf dem dann das sog. Staffelgeschoss mit neuem Dach errichtet wird.

So wird sich auf der einen Seite das Gebäude am Hafen deutlich verändern, aber gleichzeitig werden Fassadenelemente erhalten bleiben, um an das typische, gewohnte Bild des alten Hotels „Zur Börse“ zu erinnern. Ob und wie lange das Gebäude im bisherigen Zustand den sich deutlich ändernden Klimaverhältnissen mit den zu erwartenden steigenden Sturmflutwasserständen noch trotzen könnte, weiß niemand. Die jetzige Sanierung mit Umbau wird aber den Erhalt des Gebäudes auf hoffentlich lange Zeit sicherstellen. Bewahren durch Veränderung.

Uwe Kurzke

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