Gebürtige Pellwormerin in den USA ausgezeichnet
Austern sind für Pellwormer:innen nichts Besonderes. Überall an den Lahnungen findet man Austern, die gerne eingesammelt und für einen schmackhaften und auf Pellworm preiswerten Imbiss genutzt werden. Bei den heutzutage in unserem Wattenmeer zu findenden Austern handelt es sich allerdings um die pazifische Felsenauster, die vor gut 20 Jahren erstmalig auf Sylt (eher zum Leidwesen der Naturschützer) angesiedelt und in Aquakulturen gezüchtet werden. Die Austern an unseren Lahnungen könnte man dementsprechend als Ausreißer oder Flüchtlinge betrachten.
Austern waren aber schon lange vor dem Import aus Amerika im nordfriesischen Wattenmeer heimisch. Allerdings gilt die Europäische Auster in weiten Teilen des Wattenmeeres seit ca. 1930 als ausgestorben. Die Gründe für dieses Aussterben sind noch nicht endgültig geklärt. Den jetzt durchgeführten Untersuchungen zu folge konnte sich die Europäische Auster im Laufe der Zeit gut an die extremen Lebensbedingungen im Wattenmeer mit stark schwankenden Wasserständen, Temperaturen und Salzgehalten anpassen. Christine Ewers und ihre Forscherkollegen vermuten allerdings, dass dies den Austern zum Verhängnis wurde. Auf klimatische Veränderungen und neue Krankheitserreger konnte sie anscheinend nicht mehr flexibel reagieren und starb im Wattenmeer. Die starke Überfischung in den 20er und 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts hat dann ihr Übriges dazu beigetragen. Heute wird vermutet, dass im dänischen Limfjord noch Restpopulationen der europäischen Auster zu finden sind.
Dr. Ewers forscht am Zoologischen Museum der Universität Kiel. Zu den Schätzen des Zoologischen Museums gehören neben vielen anderen auch 150 Jahre alte europäische Austern. Als Evolutionsbiologin untersuchte Christine das Erbgut dieser Austern, um zum einen Erkenntnisse über die Entwicklung dieser Austernart zu gewinnen, zum anderen aber auch die Frage, ob und in wie weit diese Austernart sich an die schwierigen Bedingungen des Wattenmeeres anpassen konnte. Die Ergebnisse dieser Arbeit sollen zum einen bei der Suche nach „Überlebenden“ unterstützen und zum anderen auch Möglichkeiten aufzeigen, diese Austernart wieder anzusiedeln.
Ihre Forschungsarbeiten fasste Christine in einer Arbeit mit dem Titel „Der Geist der vergangenen Austern: Museomik einer ausgestorbenen Austernpopulation und die Suche nach Überlebenden“. Für die American Genetics Association waren die Ergebnisse und die Arbeit so herausragend, dass sie als einzige Forscherin vom europäischen Festland mit dem Evolutionary, Ecological and Conservation Genomics (EECG) Research Award ausgezeichnet wurde. Die Auszeichnung ist mit einem Preisgeld verbunden, dass helfen soll, weitere Forschungen zu unterstützen.
Der berufliche Werdegang von Christine Ewers liest sich beeindruckend.
Aufgewachsen auf Pellworm wechselte Christine nach dem Realschulabschluss an die Hermann-Tast-Schule in Husum, wo sie ihr Abitur ablegte. An das Abitur schloss sich ein Biologiestudium an der CAU Kiel an. Nach erfolgreichem Studium führte sie der Weg in die USA, wo sie am Wares Laboratorium der Universität Georgia (UGA) forschte und 2015 mit Forschungen zum Fortpflanzungssystem von Seepocken promovierte. Eine Aufzeichnung der Verteidigung ihrer Doktorarbeit finden Interessierte auf Youtube (https://is.gd/bC8QB0) .
Nach erfolgreicher Promotion und weiteren Forschungen erhielt sie einen Ruf an das Zoologische Museum der Universität Kiel, wo sie ihre evolutions- und populationsgenetischen Untersuchungen fortführt.
Wer neugierig ist, kann sich auf scholar.google.com (https://is.gd/kz2LoV) die lange Liste ihrer Veröffentlichungen einmal anschauen.
Pellworm gratuliert Christine zu diesem großen Erfolg. Gleichzeitig ist ihr Werdegang und die aktuelle Auszeichnung ein Mutmacher für alle Pellwormer Schüler:innen. Trotz der abgelegenen Lage, den Schwierigkeiten, die der Besuch eines weiterführenden Gymnasiums auf dem Festland mit sich bringt, befähigen auch die Grundlagen, die an unserer Schule gelegt werden für weitere wissenschaftliche und andere Karrieren. Und – die Auszeichnung ist auch ein Mutmacher für junge Pellwormer Frauen, sich an naturwissenschaftliche Fächer heranzutrauen. Im vergangenen Jahr war Christine Ewers auch eine der Mentorinnen, die im Rahmen der helpIng-Akademie, die gemeinsam von Watt+Mehr, den Unis Heidelberg und Halle sowie science2public auf Pellworm stattfand (dePe 06/2021) und junge Frauen an die MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) heranführen sollte.