Das Gedächtnis der Insel

Heinz Clausen und sein Inselarchiv



 
In der letzten Ausgabe des De Pellwormer veröffentlichte Heinz Clausen seinen 50. Beitrag zu historischen Gebäuden auf Pellworm. Auch mit 88 Jahren ist sein Interesse an der Geschichte unserer Insel und vor allem auch die Freude daran, dieses Interesse zu teilen, nicht geringer geworden. Seit Ende der 50er Jahre sammelt Heinz alles, was an Nachrichten über Pellworm veröffentlich wird, sichtet Nachlässe, sortiert historische Bilder und vieles mehr. In zahlreichen Aktenschränken verbergen sich hunderte von Aktenordnern, wohl sortiert nach Themen, mehr als 16.000 Fotos, dazu eine Bibliothek mit gut 1000 Bänden, die nahezu alles an Interessantem und Wichtigen über Pellworm und die Uthlande beinhalten.

Schon als junger Mensch war Heinz interessiert an den Geschichten und Erzählungen über Pellworm und die Menschen, die auf der Insel leben und lebten. Als Kind versteckte er sich oft unter dem Tisch, um heimlich den Erzählungen der Erwachsenen zu lauschen. Aufgewachsen mit seinen drei Schwestern auf einem kleinen Bauernhof am Schütting, dem heutigen Ponyhof, war er 1950 einer der ersten Schüler, die den von Rektor Au ins Leben gerufenen Aufbauzug der Pellwormer Schule besuchten. Nach erfolgreichem Schulabschluss folgte eine Ausbildung zum Bankfachmann bei der damaligen Kreissparkasse in Husum. Kurz nach Abschluss der Lehre gab es Unregelmäßigkeiten in der Pellwormer Zweigstelle. Der damalige Leiter hatte in Robin-Hood-Manier Geld von wohlhabenderen Pellwormer an weniger bemittelte verteilt, darüber hinaus auch Gelder veruntreut. Händeringend wurde nach einem Nachfolger gesucht und so kam es, dass Heinz, mit 21 Jahren damals gerade volljährig geworden, die Aufgabe zur Leitung der Pellwormer Filiale übertragen wurde.

Pellwormer rieten ihm damals eher davon ab, die Stelle auf Pellworm anzutreten. „Wat wüllt Du hier, für junge Lüd givt hier nich veel“. Für Heinz allerdings kein Grund, sich von Pellworm fernzuhalten, eher im Gegenteil.  „Das wollen wir doch mal sehen“, und ein weiteres Kapitel seines Schaffens auf Pellworm wurde aufgeschlagen. 1959 gründete er den Schützenverein, 1960 war er an der Wiederbelebung des Sportvereins beteiligt, es folgten der Pellwormer Yachtclub, der Ortskulturring wurde ins Leben gerufen, der Fremdenverkehrsverein und 1989 der Freesenverein. In Spitzenzeiten war Heinz Mitglied in 32 Pellwormer Vereinen, in vielen davon als Kassierer („Du kannst doch gut mit Geld um“) tätig.
 
Sollte man nun annehmen, dass Heinz mit der Tätigkeit als Leiter der Pellwormer Zweigstelle der Sparkasse, seinem ständig wachsenden Archiv und den zahlreichen Vereinen ausgelastet gewesen wäre, kennt man ihn schlecht. Immer schon an der Entwicklung der Insel interessiert und auch im Rahmen seiner Sparkassentätigkeit war ihm aufgefallen, dass zahlreiche Jung-Pellwormer und Pellwormerinnen immer wieder vergeblich nach Wohnungen und Bauplätzen für ein eigenes Zuhause suchten. Der damalige Gemeinderat hielt die Schaffung von Bauplätzen für unnötig und als Heinz dann auf einer Gemeinderatssitzung dieses Thema als Zuhörer ansprach und dem Gemeinderat vorwarf, gut 20 Jahre in dieser Hinsicht geschlafen zu haben, gab es ziemlichen Aufruhr. Der damalige stellvertretende Bürgermeister versuchte sogar, den Leiter der Sparkasse davon zu überzeugen, dass Heinz von Pellworm abgezogen werden müsse. Jedenfalls dauerte es nicht lange und Heinz schloss sich der WGP an, für die er dann 24 Jahre als aktiver Kommunalpolitiker im Gemeinderat tätig war.

Für dieses umfassende Engagement in vielen Bereichen des Insellebens wurde Heinz 2012 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.
 
All dies wäre natürlich nicht denkbar, hätte Heinz mit Ingke nicht eine Lebenspartnerin, die ihm bei all seinen Aktivitäten den Rücken freihalten würde. Verlangt hätte sie, so sagt sie es mit einem Augenzwinkern, dass er pünktlich zu den Mahlzeiten daheim sei und dass er leise nach Hause käme, wenn es wieder einmal spät geworden sei.
 
Über all die Jahre blieb das Interesse am Sammeln, ordnen und sortieren von Interessantem zu Pellworm ungebrochen. Sein Archiv wuchs und wächst weiter. Fragt man Heinz nach Unterlagen zu einem Detail, reicht ein Griff in einen Aktenordner und die benötigten Zeitungsausschnitte oder Fotos liegen auf dem Tisch. Was wo zu finden ist, das alles hat Heinz im Kopf, dazu unendlich viele Geschichten zu Familien, Personen und Ereignissen, die nicht in den Aktenordnern zu finden sind. Zahlreiche Originale hat er abgetippt, um sie so der Nachwelt zu erhalten. Einen Computer sucht man allerdings vergeblich an seinem Arbeitsplatz. Alles wird auf einer schon etwas in die Jahre gekommenen Gabriele Schreibmaschine fein säuberlich abgetippt, auch seine Berichte zu historischen Gebäuden auf Pellworm entstehen hier. Fragt man Heinz, was denn sein Interesse an der Vergangenheit ausmacht, so ist seine Haltung klar: „Ohne Vergangenheit gibt es keine Zukunft“ und dass man aus der Vergangenheit auch für Zukunft und Gegenwart lernen könne.

Blickt er auf sie Entwicklung Pellworms zurück, so hebt Heinz positiv die verbesserte Verkehrsanbindung, die technische Entwicklung sowie die verbesserten Lebensumstände hervor. Bedenklich sieht er eher den aus seiner Sicht schwindenden Zusammenhalt und den abnehmenden Gemeinschaftssinn.
 
Vor allem mit seinem Archiv hat Heinz Clausen einen für Pellworm unschätzbaren Wert geschaffen. Auch wenn, wie er berichtet, das Interesse vor allem jüngerer Pellwormer an dem „olen Kram“ nicht sehr ausgeprägt sei, hat er seit vielen Jahren immer wieder Anfragen zu Häusern und Familien, auch Nachfahren von vor Jahrzehnten ausgewanderten Pellwormer und Pellwormerinnen fragen immer wieder nach.
 
Was später einmal aus dem großen Archiv werden wird, wer da den Überblick haben wird, wo es keinen Index oder ein Verzeichnis gibt, ist offen. So können wir alle nur wünschen, dass Heinz noch viele Jahre seine Arbeit zum Wohl der Insel und ihrer Bewohner fortführt.
 
Uwe Kurzke
 
 

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