Nach mehr als 31 Jahren im Dienst der Gemeinde Pellworm ist Museumsdirektor Walter Fohrbeck am 26.11.2021 von Bürgermeisterin Astrid Korth in den Ruhestand verabschiedet worden.
Obwohl er den meisten auf der Insel als begeisterter Kenner und Erklärer der Inselgeschichte bekannt und bei Ihnen beliebt ist, dürfte nicht vielen bewusst sein, in wie vielen Bereichen Walter Fohrbeck prägend und gestaltend für die Gemeinde gearbeitet hat. Eher verborgen in seinem Büro im Kellergeschoss der Gemeinde- und Amtsverwaltung erblickten zahlreiche Projekte in den verschiedensten Bereichen das Licht der Welt. Wer Walter dort besuchte und Zeit mitbrachte, bekam Anschauungsunterricht nicht nur über Vergangenes, sondern meist auch das Neuste, über Zukunftsvisionen, anstehende Entscheidungen und Besuche herausragender Persönlichkeiten und Personalien.
Für den studierten Historiker mit Magisterabschluss und ausgebildeten Kunsttischler und Restaurator war und ist Pellworm ein weites und aus seiner Sicht immer noch zu wenig bearbeitetes und gepflegtes Feld von Aufgaben. Gerade weil abgelegen und einzigartig fern von vielen Banalitäten war dies der Ort, an dem er seine vielfältigen Talente zur Wirkung bringen konnte.
Er erarbeitete sich seine Wirkstätte von der Pike auf. Seit 1990 war Walter Fohrbeck auf einer eher ungewöhnlichen Stelle für die Gemeinde Pellworm, die für die einen als administrativer Flickenteppich, für die anderen als Hort der Kreativität gesehen wurde. Schon aus der ersten Stellenbeschreibung wird deutlich, dass Walter als „Allroundgenie“ für die Gemeinde tätig werden sollte. In der Stellenbeschreibung war detailliert aufgeschlüsselt, wo und in welchem Umfang er auf Pellworm tätig werden sollte: Da war davon die Rede, dass 2% seiner Aufmerksamkeit und Arbeit der Hermann-Neuton-Paulsen-Schule gelten sollten, 30% dem Heimatmuseum, 3% dem Ortskulturring und anderen Vereinen, 15% den Kur- und Badeeinrichtungen, 20% der Orts- und Regionalplanung, 10% dem Pellwormer Öffentliches Grün, dem Landschaftsbau sowie Natur- und Landwirtschaft und schließlich 20% dem Friedhofs- und Bestattungswesen. Und wenn eine Behörde etwas gründlich macht, dann schlüsselt sie diese Tätigkeit gleich mit 3 Stellen hinter dem Komma auf.
Zu den ersten Aufgaben gehörte die Konzeption und der Aufbau des Insel-Museums im Obergeschoss des heutigen Kur- und Tourismusservice. Nicht nur diese ersten Wochen auf Pellworm waren für Walter alles andere als einfach. Er selbst beschrieb seine damalige Situation einmal so: „Als ich ankam, fand sich zunächst keine Unterkunft. Ich habe wochenlang im Büro gewohnt. Ich bekam einen Schlüssel für die Dusche im Schwimmbad zum Duschen. Die Kollegen haben sich gefreut, weil ich morgens schon früh auf war und ihnen Kaffee gemacht habe.“
Unter seinen handwerklich und gestalterisch talentierten Händen wurde das Pellwormer Insel Museum zu einem immer wieder neu gestalteten echten Hingucker und Besuchermagneten, ein Highlight der Insel. Immer wieder beeindruckend, wie es Walter gelungen ist, ist in der räumlichen Enge des Dachgeschosses eine umfassende Geschichte der Insel Pellworm von der Eiszeit über die erste Besiedlung bis hin zur Jetztzeit zu gestalten. So entstand ein für die damalige Zeit sehr fortschrittliches, fast interaktives Museum, dessen Schubladen zum Entdecken und Erforschen einladen. Zahlreiche Modelle wurden von Walter als gelerntem Kunsttischler selbst gebaut. Gleichzeitig kümmerte er sich all die Jahre um den Erhalt von historisch wertvollen Gebrauchsgegenständen, von der Ausrüstung der alten Arztpraxis, den Koffer der Pellwormer Hebamme bis hin zu schon lang nicht mehr gebräuchlichen landwirtschaftlichen Gerätschaften. Nicht selten musste er sich durchsetzen, wenn andere „den alten Kram“ eigentlich entsorgen wollten. Als Nachtwächter verkleidet lud Walter mehrere Jahre lang zur „Langen Nacht des Museums“ ein und begeisterte die Besucher: innen mit zum Nachdenken anregenden Geschichten ebenso wie mit amüsanten Anekdoten zur Inselgeschichte.
Ein frühes Konzept zur Entwicklung des Fremdenverkehrs auf Pellworm geht auf Walter zurück. Ohne sein großes Fachwissen und Engagement wäre Pellworm im Rahmen der Expo 2000 nicht als „dezentrales Expo 2000 Projekt“ weit über die Grenzen der Republik bekannt geworden. Er gestaltete u.a. die umfangreiche Ausstellung im Obergeschoss des Kurzentrums und kümmerte sich um die Ausgestaltung von EXPO-Wanderwegen, die – thematisch vernetzt – die ganzheitliche Entwicklungsvision für das „Dorf 2000 Pellworm“ zum Ausdruck bringen sollten. Die sich aus der EXPO-Beteiligung ergebenden Projektgruppen der Gemeinde wurden in den folgenden Jahren von Walter Fohrbeck betreut, darunter beispielsweise auch die vorbereitenden Untersuchungen zur Biogasanlage und die Fortführung des Energiekonzeptes für die Insel Pellworm.
Ebenso hatte Walter entscheidenden Anteil daran, dass sich Pellworm und die Uthlande in der Bewerbung für den Modellwettbewerb „Regionen aktiv – Land gestaltet Zukunft“ erfolgreich durchsetzen konnten. Ein von ihm und Mathias Schikotanz im Auftrag des Öko-Verein verfasstes Regionales Entwicklungskonzept für die Region Uthlande war der Grundstein für das als AktivRegion fortgeführte Förderprogramm. Die damals skizzierte Vision „Eine Reise im Jahre 2020“ enthält zahlreiche Elemente, über deren Umsetzung man auch heute noch nachdenken sollte.
Pellwormer Geschichte brachte Walter in regelmäßigen Vortragsreihen zum Thema „Pellworm für Pellwormer“ den „Eingeborenen“ nahe. Er kümmerte sich um die Organisation der Orgelkonzerte auf Pellworm und seine, von umfassendem Wissen und einer spannenden Art Geschichte(n) zu erzählen, Kirchenführungen waren bei Pellwormer:innen und Gästen gleichermaßen beliebt. Für den Kirchenvorstand war er über lange Jahre als Mitglied eine wichtige Stütze.
Nicht zu vergessen auch die Pellwormer Sommerakademie, eine Veranstaltungsreihe für kultur- und geisteswissenschaftlich interessierte Gäste und Pellwormer. Diese Veranstaltungsreihe wurde von Walter Fohrbeck und Dr. Johanna Vogel gemeinsam organisiert und durchgeführt. Jedes Jahr wurde ein Band „Pellwormer Protokolle“ mit den interessanten Vorträgen der Veranstaltung sowie weiteren Literaturhinweisen von Walter Fohrbeck herausgegeben.
Das Archiv der Insel Pellworm wurde von Walter kontinuierlich ausgebaut und um wichtige Bestandteile (wie die Sammlung der Fotografien von Dr. Schlitt) ergänzt und das quasi nebenbei noch eine ganze Reihe Monografien zu verschiedensten Themen wie der Entwicklung des DRK-Ortsvereins bis hin zur Geschichte des Pellwormer Leuchtturms von ihm verfasst wurden, sei der Vollständigkeit halber nur am Rande erwähnt.
Nicht jedem mag bewusst sein, welch große Bedeutung die Bewahrung der Geschichte für unsere Kultur und das tägliche Leben hat. Nicht selten hat es an der gebührenden Anerkennung und Wertschätzung für diese Arbeit gefehlt. Das eine Gemeinde sich aber den scheinbaren „Luxus“ leistet, ihr kulturelles Erbe zu bewahren und zu pflegen, ist bemerkens- und mehr als anerkennenswert. Letztlich ist das Wissen darum, woher wir kommen und, wer wir heute sind entscheidend für die Antwort auf die Frage, wohin wir gehen.
Walter Fohrbeck hat Pellworm dreißig Jahre lang sein vielfältiges Wissen, seine bodenständige Kreativität, seine kräftige Stimme und seinen rheinländischen Humor geschenkt.
Walters Weg wird ihn nun in den ersten Monaten des Ruhestands nach Venedig führen, wo er einige Zeit verbringen möchte. Eins ist sicher, wenn er zurückkommt, hat er ein Päckchen neuer Ideen und man braucht sich nicht mehr im Kellergeschoss danach erkundigen. Auch in der häuslichen Schublade wird noch einiges interessantes warten.
Wir sind, wir dürfen gespannt sein!
Uwe Kurzke